Juli 10, 2020
Das fast vier Jahre währende Ringen um den Mobilitäspakt hat seit Mittwoch ein Ende. Mit grosser Mehrheit verabschiedeten die EU-Parlamentarier das neue Gesetzespaket, das vor allem auf die Verbesserung der Arbeitsbedingungen für die Chauffeure zielt.
In den vergangenen Jahren hat der grenzüberschreitende Strassengütertransport in der EU zu weiten Teilen in einer Grauzone stattgefunden, was ein System entstehen liess, das auf Sozialdumping, auf Ausbeutung der Fahrer und auf Niedrigpreisen beruht. Damit soll nun Schluss sein. Vorgesehen ist beispielsweise, die so genannte Kabotage einzuschränken, also das Erbringen von Transportdienstleistungen innerhalb eines Landes durch ein ausländisches Verkehrsunternehmen. Gleichzeitig will die EU stärker gegen Scheinfirmen vorgehen, die nur auf dem Papier existieren, während Fahrer und Lkw – de facto heimatlos – auf Europas Strassen unterwegs sind.
So postuliert die neue Regelung unter anderem eine Rückkehrpflicht für Lkw, die künftig spätestens nach acht Wochen in das Land zurückkehren müssen, in dem sie registriert sind. Um zu verhindern, dass die Fahrer diese Zeit durchweg im und am Lkw verbringen, muss ihnen zudem die Möglichkeit eingeräumt werden, alle vier Wochen in ihr Heimatland zurückzukehren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Kabinenschlafverbot. Danach darf die Ruhezeit am Wochenende nicht mehr in der Kabine des Lkw verbracht werden. Die Chauffeure sollen diese Zeit stattdessen in einer ordentlichen Unterkunft verbringen.
Anwendung finden sollen die Verordnungen und Richtlinien übrigens auch auf Klein-Lkw bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht, die bis dato an so gut wie keine rechtlichen Vorgaben gebunden waren. Laut dem Forschungsdienst des EU-Parlaments sollen EU-weit rund 3,6 Millionen Lkw-Chauffeure von den neuen Vorschriften profitieren.
Für die Schweiz stellt sich nun die Frage, welche Position sie zu dem Gesetzespaket einnehmen will: adaptiert sie zentrale Regelungen, oder nicht. Denn das Landverkehrsabkommen mit der EU, das in diesem Fall einschlägig ist, sieht keine juristische Verpflichtung vor, neue oder revidierte EU-Regelungen in diesem Bereich zu übernehmen.
„Ich denke jedoch, es ist durchaus sinnvoll, die Schweizer Gesetzgebung an die der EU anzupassen. Massgabe dabei sollte sein, dafür zu sorgen, dass das Abkommen weiterhin gut funktioniert. Denn die Transportbranche hierzulande profitiert in einem nicht unerheblichen Masse von ihr“, sagt Peter Krummen, Geschäftsführer der Krummen Kerzers AG.
So erhalten die Schweizer Fuhrhalter auf Grundlage des Landverkehrsabkommens beispielsweise Zugang zum EU-Markt und die Möglichkeit, zwischen EU-Staaten Kabotagefahrten durchzuführen, also beispielsweise Güter von Deutschland nach Frankreich zu transportieren. „Das hilft uns sehr, die Zahl der Leerkilometer zu reduzieren. Andernfalls müssten unsere Fahrzeuge beispielsweise den Rückweg von den großen Seehäfen häufig ohne Rückladung antreten“, erklärt Krummen. Hingegen bleibt der schweizerische Markt vor der Kabotage durch ausländische Transporteure geschützt. Transporte von Zürich nach Lausanne durch einen deutschen Lastwagen sind mit dem Landverkehrsabkommen zum Beispiel ausgeschlossen. Auf dessen Grundlage erkennt die EU darüber hinaus die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) an, nach der die Schweiz im Mittel 325 Franken für eine Lastwagenfahrt von Grenze zu Grenze verlangen darf.